Die Indie-Porn-Szene in Deutschland ist klein und von bekannten Gesichtern geprägt. Selten begegnet man Quereinsteiger*innen ohne Branchenerfahrung, denen es gelingt, sich dauerhaft einen Platz in der Nische zu schaffen. Den Gründer*innen der Porno-Plattform CHEEX, Denise Kratzenberg und Maximilian Horwitz, ist das gelungen. Im Interview mit PORN BETTER erzählt Denise von ersten Gehversuchen in der Adult Industry, unerwarteten Hürden und ihrer Vision für die Zukunft der Branche.

Stell Dich kurz vor: Was sind drei Dinge, die unsere Leser*innen über Dich wissen sollten?

Ich bin sehr emotional, impulsiv und chaotisch. Viele würden diese drei Eigenschaften vielleicht als nachteilig im Job empfinden, aber genau diese Dinge haben mir im Leben oft geholfen. Wenn mich eine Idee, eine Frage oder ein Gedanke packt, lasse ich nicht mehr los. Dann bin ich komplett im Tunnel und vergesse Raum, Zeit und meistens auch, dass mein Laptop längst ans Ladekabel müsste. Ich finde häufig gute und pragmatische Lösungen, wenn alles drunter und drüber geht und jede emotionale Seite geht auch mit Empathie einher.

Was war die Idee hinter CHEEX und was wolltet Ihr mit Eurer Plattform anders machen als andere Porno-Plattformen?

Wir wollten ein Angebot schaffen, das Sexualität authentisch zeigt, in all ihrer Vielfältigkeit und frei von schädlichen Stereotypen oder Stigmata. CHEEX soll nicht nur Lust machen, sondern unsere Community dazu inspirieren, Neues auszuprobieren, die eigene Sexualität selbstbestimmt zu erkunden und sich dabei nicht ständig fragen zu müssen, ob man eigentlich „normal“ ist. Unser Ziel ist es, Scham und Tabus rund um Sexualität und Pornos abzubauen und zu einer offeneren, selbstbestimmteren Lustkultur beizutragen. Die Kombination aus Pornografie und sexueller Bildung macht CHEEX einzigartig. Sie gehen unserer Meinung nach Hand in Hand, um unsere Vision, einer sexuell befreiteren Gesellschaft, näher zu kommen.

Sowohl Du als auch Dein Mitgründer, Maximilian Horwitz, kommen ja eigentlich aus anderen Branchen – Du warst von der Business Analystin bis zum Catering-Startup aktiv, Maximilian im E-Commerce und FinTech. Wie lange begleitet Euch das Interesse an Porno und Sexualität schon? Wie kam es zu der Entscheidung, in diesem Bereich zu gründen?

Wann begleitet uns Sexualität eigentlich nicht? Mich hat das Thema, besonders im gesellschaftlichen Kontext, schon lange beschäftigt. Zum Beispiel, wer eigentlich festlegt, was als “normal” gilt und was nicht. Alle leben Sexualität auf irgendeine Weise, aber kaum jemand spricht darüber. Die Idee zu CHEEX begann bei einem Abendessen mit Freundinnen. Irgendwann kam die Frage auf: „Schaut ihr eigentlich Pornos?“ Gerade meine Freundinnen fühlten sich vom herkömmlichen Angebot überhaupt nicht angesprochen und hatten Hemmungen über das Thema zu sprechen. Als ich nach Hause kam, habe ich die halbe Nacht recherchiert. Was braucht es eigentlich, damit Sexualität zugänglicher wird? Als ich Max davon erzählte, war er sofort dabei und hat uns letztlich zur Gründung gepusht. Unsere ersten Schritte waren eher experimentell: Wir entwickelten eine Entspannungs-App mit selbst eingesprochenem ASMR. Die Aufnahmen sind uns bis heute noch peinlich. Als unsere Testgruppe dann bei den Kategorien am meisten auf „Seductive“ klickte, war irgendwann klar: Wir sind beim Thema Pornografie gelandet.

War Euch vor der Gründung bewusst, wie viele Hürden damit verbunden sind, in der Adult Industrie tätig zu sein – sowohl rechtlich als auch wegen des sozialen Stigmas? Was war diesbezüglich der erste Reality Check und wie schafft Ihr es, diese Hürden zu überwinden?

Uns war natürlich bewusst, dass Sex und Pornografie sensible Themen sind, aber wie stark das Stigma wirklich ist, haben wir unterschätzt. Ich habe damals völlig selbstverständlich bei der Bank angerufen und nach einem Kredit gefragt. Rückblickend war das naiv, aber genau diese Unbefangenheit hat uns auch einen gewissen Drive gegeben. Wir hatten keine Angst, einfach loszulegen. Die Branche selbst ist wie eine Black Box. Bei einer Gründung findest du normalerweise alle Infos online oder über Netzwerke, aber zur Pornoindustrie gibt es keine einfach zu findenden Daten oder Kontaktpersonen und kaum jemand spricht wirklich offen. Das heißt, man muss sich hauptsächlich auf das eigene Bauchgefühl verlassen. Zum Glück gibt es immer Menschen, die helfen, aber man muss sie aktiv suchen. Ohne einzelne Unterstützer*innen, die bereit sind, das Stigma zu durchbrechen, würde es CHEEX heute nicht geben.

Wie hat sich Deine eigene Perspektive auf Pornografie und die Branche durch Deine Zeit bei CHEEX verändert?

Viele haben eine Meinung zu Pornografie, ohne wirklich etwas darüber zu wissen. Die Branche ist extrem vielschichtig und hat so viele Facetten. Ein einfaches ‘Porno ist gut’ oder ‘Porno ist schlecht’ wird dem überhaupt nicht gerecht. Es gibt kein Schwarz/Weiß, die Realität ist viel komplexer.

Was ist das schönste Feedback, das Du von CHEEX-User*innen oder Geschäftspartner*innen je bekommen hast?

Das schönste Gefühl ist, wenn die Vision bei den Menschen ankommt. Wenn jemand mit mir teilt, dass CHEEX geholfen hat, wieder zur eigenen Sexualität zu finden, sich im Körper wohler zu fühlen oder mit Partner*innen zu connecten. Das motiviert total!

Wenn Du Dir drei Dinge für die Zukunft von CHEEX wünschen könntest, welche wären das?

Besonders wünsche ich mir, dass die bestehenden Stigmata rund um Sexualität und Pornografie weiter abgebaut werden. Vor allem in der Infrastruktur, etwa bei Payment-Providern oder sozialen Plattformen. Es wäre schön, wenn Unternehmen uns nicht automatisch ausschließen, nur weil wir in einem sogenannten ‘sensiblen’ Bereich arbeiten. Außerdem wünsche ich mir, dass unsere Vision von sexueller Befreiung noch mehr Menschen erreicht. Dass sich Menschen empowert fühlen, ihre Sexualität zu entdecken, neugierig bleiben und Sex als natürlichen und positiven Teil ihres Lebens begreifen.
Vor allem wünsche ich mir aber eine offene Gesellschaft, in der wir über Bedürfnisse sprechen können. In der Gespräche über Sexualität selbstverständlich sind, ohne Scham oder Tabu.

Fotos: CHEEX

Mehr von Denise und von CHEEX gibt’s hier:

Diese Themen könnten Ihnen auch gefallen:

PORNOS SIND ARBEIT – UND EIN SPIEGEL UNSERES SYSTEMS

PORNOS SIND ARBEIT – UND EIN SPIEGEL UNSERES SYSTEMS

Pornografie existiert nicht außerhalb von Kapitalismus, Patriarchat oder Machtstrukturen. Sie ist kein digitaler Wilder Westen, der die Misogynie erfunden hat, und genauso wenig ist sie ein utopischer Ort sexueller Befreiung. Pornos machen ist Arbeit. Und wie jede Arbeit im Kapitalismus ist auch diese geprägt von Ungleichheiten, bedingt etwa durch Klasse, Geschlecht, Herkunft und Begehren.

Ein Besuch beim Porn Film Festival Berlin

Ein Besuch beim Porn Film Festival Berlin

Das Porn Film Festival Wien ist gerade zu Ende gegangen, und das Porn Film Festival Brüssel steht vor der Tür – eine gute Gelegenheit, darüber zu reflektieren, was Porn Film Festivals eigentlich sind und wie sie unseren Blick auf Porno prägen können.

Gastbeiträge Willkommen!

Gastbeiträge Willkommen!

Der PORN BETTER Blog ist offen für Gastbeiträge. Besonders spannend finden wir Perspektiven von Sexarbeiter*innen, Neues aus der Pornowissenschaft und Einblicke aus der Adult Industry.

Highlight des Monats

Anbieter: Meow Meow

Wir freuen uns, euch „Meow Meow“ vorstellen zu können. Der Anbieter macht experimentelle Porno-Kunst aus Berlin. Schaut jetzt rein, wie Meow Meow arbeitet und in den Bereichen Produktionsbedingungen, Diversität und Präsentation abschneidet.

Bright Desire

Smart Porn made by Ms. Naughy