PORNOS SIND ARBEIT – UND EIN SPIEGEL UNSERES SYSTEMS


Pornografie existiert nicht außerhalb von Kapitalismus, Patriarchat oder Machtstrukturen. Sie ist kein digitaler Wilder Westen, der die Misogynie erfunden hat, und genauso wenig ist sie ein utopischer Ort sexueller Befreiung. Pornos machen ist Arbeit. Und wie jede Arbeit im Kapitalismus ist auch diese geprägt von Ungleichheiten, bedingt etwa durch Klasse, Geschlecht, Herkunft und Begehren.

Bildquelle: WikiCommons

In öffentlichen Debatten wird Pornografie oft entweder als ultrasexistisches Übel verteufelt oder zur missverstandenen Kunstform hochgelobt. Doch diese binäre Sichtweise greift zu kurz. Pornos sind eine Industrie. Und Industrien spiegeln die Werte der Gesellschaften wider, in denen sie operieren. Fast Fashion, Lieferdienste und Tech-Startups stellen Profit über Menschen – warum sollte die Pornoindustrie hier eine Ausnahme sein?


Ja, Pornos sind teilweise voller Klischees, Stereotype und überstrapazierter Narrative – das haben sie mit jeder anderen Produktionsmaschinerie gemein, die unter Lieferdruck steht. Was viele Kritiker*innen allerdings an Pornografie problematisch finden, ist in Wirklichkeit ein Spiegel tief verankerter gesellschaftlicher Normen: Sexismus, cis-Heteronormativität, trans-Fetischisierung, rassifiziertes Begehren, Körperhierarchien und Fantasien, in denen Konsens keine Rolle spielt. All das wurde nicht an Pornosets erfunden. Pornos reproduzieren diese Muster, weil sie sich verkaufen. Und in marktwirtschaftlich organisierten Industrien gilt: Was sich verkauft, erwirkt sein Existenzrecht am Markt. Das heißt nicht, dass man alle Pornos über einen Kamm scheren kann. Die wachsende Zahl an queeren, feministischen, aktivistischen und sexarbeits-positiven Produktionen zeigt, dass Alternativen nicht nur vorstellbar, sondern längst Realität sind. Hier wird etwa mit Intimitätskoordinatorinnen gearbeitet, werden Konsenspraktiken priorisiert, Aushandlungsprozesse sichtbar gemacht und Erzählstrukturen entwickelt, die bestehende Machtverhältnisse hinterfragen.


Aber auch hier gilt: „Ethischen Porno“ zu romantisieren ist keine Lösung. Der Begriff wirkt oft moralisierend und kann neue problematische Dichotomien schaffen: “Indie gut, Mainstream schlecht”. Manche Indie-Produktionen arbeiten unter prekären Bedingungen, die Selbstausbeutung begünstigen. Manch größeres Studio bietet bessere Gagen, klare Verträge und professionellere Strukturen als die ein oder andere selbsternannte feministische Produktionsfirma. Entscheidend ist also nicht immer, wer welchen Porno macht, sondern wie gearbeitet wird, wie Konsens gehandhabt wird, und wie Machtverhältnisse auf und abseits des Sets gehandhabt und hinterfragt werden.


Kritik an der Pornoindustrie kommt häufig von Menschen, die keinen Cent für jegliche Form von Pornografie ausgeben würden. Auch das ist Teil des Problems. Damit progressive, feministische, queere Pornos über den Nischenstatus hinauswachsen können, braucht es zwei Dinge: mehr Menschen mit solchen Werten, die Pornos machen und mehr Konsument*innen, die bereit sind, für solche Inhalte zu zahlen. Die Pornoindustrie ist ein Markt, und Märkte reagieren auf Nachfrage. Solange vor allem cis-hetero Männer mit normativen Erwartungen bereit sind, Geld für Pornos auszugeben, wird sich die Branche an deren Vorstellungen orientieren. Betrachtet man das große Ganze, ist Pornografie nicht deshalb so besonders, weil sie besonders unmoralisch wäre, sondern weil sie bildmächtig zeigt, wie Kapitalismus Intimität, Begehren und Körper zur Ware macht. Darsteller*innen sind Arbeiter*innen. Sie verdienen Rechte, Sicherheit, Mitbestimmung und faire Bezahlung. Wenn wir ihre Stimmen ignorieren oder nur nutzen, um unsere eigenen moralischen Urteile zu bestätigen, wiederholen wir genau die Dynamiken, die wir eigentlich kritisieren. Verantwortung als Konsument*in übernehmen heißt, ein Bewusstsein für den eigenen Konsum zu entwickeln. Was sehe ich mir an? Wer hat das produziert? Unter welchen Bedingungen? Wer profitiert? Welcher Content gefällt mir – und warum? Es sind dieselben Fragen, die wir uns auch bei anderen Produkten und Dienstleistungen stellen sollten, sei es bei unserer Kleidungs- oder Pornowahl.


Und wie in anderen Branchen gilt auch hier: Echte Veränderung entsteht nicht durch moralische Panik, sondern durch Arbeitskämpfe, klare, faire Regulierung (und deren Durchsetzung), kollektives Handeln und ein neues Verständnis von Verantwortung, Konsens und kreativer Kontrolle. Pornos sind nicht das Problem. Aber sie zeigen sehr deutlich, wie Begehren und Macht in unseren Systemen entstehen, perpetuiert und kommerzialisiert werden.

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