Warum (deine) Pornos politisch sind

Pornografie ist ein Thema, das in der medialen Öffentlichkeit wenig diskutiert wird, obwohl Pornografie ein Medium ist, das eine enorme gesellschaftliche Relevanz hat und auch im Leben sehr vieler Menschen ein fester Bestandteil ihrer Sexualität ist. Sei es allein oder mit Partner*innen.
Und ohne sich wirklich damit auseinanderzusetzen, denken viele Menschen, dass die eigenen Vorlieben beim Pornokonsum etwas Privates sind, losgelöst von politischen und gesellschaftlichen Normen. Etwas Unausgesprochenes und Unveränderliches. Privatsache eben. Dabei sind unsere Sexualität und somit auch unsere (Porno)Präferenzen mit unserer sozialen und kulturellen Prägung verbunden. Vieles an ihr kann sich im Laufe der Zeit verändern, ob durch Erfahrungen, die wir machen, oder durch Reflexionsprozesse.

Gustave Courbet, „Le Sommeil“, 1866. Darstellungen von Sexualität sind immer auch ein Spiegel der Gesellschaft und des Zeitgeistes.
Quelle: Wiki Commons

Wir werden immer wieder gefragt, wie wir entscheiden, ob etwas ethisch ist oder nicht. Dahinter steckt oft auch die Annahme, dass wir den Begriff ethische Pornos auf Inhalte beziehen. Was wir unter „ethischer Porno“ verstehen und was wir unter „feministischer Porno“ verstehen, haben wir bereits im Blog erklärt. Was sich hinter dieser Frage verbirgt, ist in unseren Augen eher die Sorge, für das, was man sich ansieht, verurteilt zu werden. Es ist auch nicht so einfach, das auseinanderzuhalten. Ein feministisches Selbstverständnis kollidiert auch bei vielen aufgeklärten, sexpositiven Menschen mit einer verinnerlichten Scham. Und auch wenn wir davon sprechen, dass es bei ethischen Filmen nicht um die Inhalte geht, dass alle Kinks ok sind, dass es keine Tabus geben soll, solange der Konsens im Mittelpunkt steht, dann denken wir trotzdem, dass das, was du dir ansiehst, politische Implikationen hat und laden dich ein, deinen Pornokonsum (selbst-) kritisch zu reflektieren.

Denn auch in Pornofilmen werden rassistische, transfeindliche oder sexistische Narrative reproduziert. Das betrifft, wie alle Bereiche unserer Gesellschaft, auch die Pornoindustrie. Und diese Industrie ist eben auch ein Spiegel dessen, was sich besonders gut verkauft. Welche Art von Filmen am meisten produziert und wie die Clips vermarktet werden, hängt auch damit zusammen, was von Konsument*innen am meisten gesucht und angeklickt wird. Auf der Seite der Darstellenden kann das zu einem Dilemma führen: Einerseits wollen sie in ihrem Job auch gut verdienen und machen gegebenenfalls Kompromisse dabei, wie sie dargestellt und vermarktet werden. Andererseits haben sie vielleicht keine Lust, Stereotype bedienen zu müssen, die ihrer Identität oder ihren Überzeugungen nicht entsprechen. Trans Darsteller*innen zum Beispiel wollen nicht ständig fetischisiert werden und fordern ein, dass ihre Geschlechtsidentität respektiert und bestärkt wird. PinkLabelTV schreibt in seinen Porn Resources über Trans-Sein in der Pornoindustrie und hat mit „Our Bodies, Our Porn: A Trans-Positive Guide to Adult Films“ eine ausführliche Sammlung von Erfahrungswerten bereitgestellt.
Eine interessante Publikationssammlung zu genderbasierter Diskriminierung in der Filmbranche im Allgemeinen, herausgegeben von der deutschen Filmförderungsanstalt, findet Ihr übrigens hier.

Die Wissenschaft hat sich bereits damit beschäftigt, welche Auswirkungen Pornokonsum auf die Zuschauer*innen haben könnte. Dazu gibt es mittlerweile differenzierte Beiträge von kulturwissenschaftlichen bis hin zu psychologischen Publikationen. Konservative Medien und christliche Bewegungen sind im Diskurs leider dennoch oft am lautesten und nicht von Fakten, sondern von einer moralischen Panik getrieben. Jacob Engelberg beschreibt dieses Phänomen in der Fachzeitschrift Porn Studies:

„Sie befürchten, dass Pornografie das Potenzial hat, heterosexuelle Männer queer zu machen, cis-Männer trans zu machen. In gewisser Weise habe ich etwas Ähnliches gesagt, obwohl ich nicht einfach glaube, dass Pornos einen queer oder trans machen können, wie sie es beschreiben. […] Mein Punkt ist, weniger sensationell, dass Porno Neugier [und] sexuelle Möglichkeiten fördern kann. Ein zweiter – offensichtlicher, aber dennoch signifikanter – Unterschied […] besteht darin, dass ich nicht glaube, dass es falsch ist, queer oder trans zu werden, und dass ich auch nicht die Vorstellung teile, dass Sexualitäten und Geschlechter unveränderlich sind oder sein sollten.“
Jacob Engelberg (2024), Bisexual and Transgender Potentialities in Pornographic Spectatorship, Übersetzung von Esti

Ist es nicht eine schönere Vorstellung, dass Pornokonsum unsere Sinne auch positiv beeinflussen und unseren Horizont erweitern kann? Trotzdem sollten wir dabei nicht vergessen, unsere Sehgewohnheiten kritisch zu hinterfragen und dabei niemanden zu verletzen.

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